Nach drei Jahren intensiver Zusammenarbeit konnten die Projektpartner des Forschungsprojekts KIsSME (Künstliche Intelligenz zur selektiven echtzeitnahen Aufnahme von Szenarien- und Manöverdaten bei der Erprobung hochautomatisierter Fahrzeuge) diese Woche seinen erfolgreichen Abschluss feiern. In einer Abschlussveranstaltung bei Bosch in Renningen wurden die Ergebnisse des Gemeinschaftsprojekts verschiedener Partner aus Industrie und Forschung vorgestellt […]
Eine echtzeitnahe Erkennung von Szenarien und die effiziente Erfassung von Szenario beschreibenden Daten bei der Erprobung hochautomatisierter Fahrzeuge soll durch lernfähige Algorithmen ermöglicht werden. Im Rahmen des Projektes KIsSME selektieren auf KI basierende Algorithmen diese Daten im Fahrbetrieb und speichern diese auch anonymisiert für die weitere Bearbeitung. Die RA Consulting plant und erstellt das On-Board-System im Projekt sowie bringt neben den Kompetenzen im Bereich der ASAM OpenX Standard, insbesondere den Standard OpenScenario 1.X zur standardisierten Beschreibung von Fahrmanövern und Szenarien, auch das Know-How zu klassischen ASAM Standardisierungsdomänen ein.
Die riesigen Datenmengen, die bei der Entwicklung und Erprobung von hochautomatisierten Fahrzeugen anfallen, sind eine der großen Herausforderungen in diesem Zukunftsfeld. Eine mögliche Lösung ist die gezielte Filterung der Daten und die Konzentration auf relevante Situationen (z.B. beinahe Unfälle).
So fallen auch während einer einsamen Autofahrt ca. vier bis acht Terabyte Daten pro Fahrzeug und Tag an, die aber bei der Weiterentwicklung bzw. Überprüfung von autonomen Fahrfunktionen kaum von Nutzen sind. Andererseits können schon wenige Sekunden eines knappen Überholmanövers viel Aufschluss über die Fähigkeiten der Fahrfunktionen liefern. Auf die Erkennung dieser kritischen Fahrszenarien zielt das neue Projekt KIsSME ab: Auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Algorithmen selektieren die Daten im Fahrbetrieb und bewerten in Echtzeit die Fahrsituation. Auf der Basis einer daraus resultierenden Kritikalitätsbewertung werden die Fahrzeugdaten gefiltert, um möglichst nur relevante Daten zu speichern und damit große Mengen Speicherplatz, Strom und Auswertungsaufwand einzusparen.
Die RA Consulting leitet hier das Arbeitspaket zur Spezifikation und Umsetzung eines On-Board-Systems. Dieses System sammelt die unterschiedlichen Messdaten (Motordaten, Lokalisierung und Bilddaten) und stellt sie den verschiedenen Applikationen der Partner zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung.
Die Hauptarbeit des Projekts ist dabei die Entwicklung, Erprobung und Verbesserung der KI-Algorithmen sowie der Komponenten für Datenselektion und echtzeitnahen Manöver- und Szenariobewertung. Die dabei erzeugten Daten sollen eine spätere Generierung von Szenarien in standardisierten Formaten ermöglichen, um z.B. auch in Simulationen verwendet werden zu können. Dadurch wird dort der Bereich der bisher unbekannten Fahrszenarien verkleinert und die Abdeckung bei der Entwicklung von autonomen Fahrfunktionen verbessert.
Neben der RA Consulting sind auch das KIT aus Karlsruhe, das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, das Ernst-Mach-Institut, das FZI Forschungszentrum Informatik, die LiangDao GmbH, die Mindmotiv GmbH, die Robert Bosch GmbH sowie die AVL Deutschland, die auch die Projektleitung übernimmt, beteiligt. Vier Partner stellen unterschiedliche hochautomatisierte Fahrzeugtypen für Erprobungsfahrten zur Verfügung, so dass viele Daten für die Optimierung der KI-Algorithmen für die Szenarienerkennung und Bewertung zur Verfügung stehen.
Als assoziierte Partner fungieren neben dem Cluster Elektromobilität Süd-West, koordiniert von der e-mobil BW GmbH, Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg, auch der ASAM e.V. (Association for Standardization of Automation and Measuring Systems) wo derzeit Standards zur standardisierten Beschreibung von Straßennetzwerken (OpenDrive) und Fahrmanövern (OpenScenario) entwickelt und verbessert werden. Bei diesen hochinteressanten Arbeitsgruppen ist die RA Consulting mit beteiligt und bietet so dem Projekt KIsSME einen einfachen und direkten Zugang zu der standardisierten Beschreibung von Fahrszenarien an. So wurde von der RA Consulting im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes SmartLoad bereits eine OpenScenario 1.0 API zum Lesen und Testen als OpenSource Software zur Verfügung gestellt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert das Projekt KIsSME mit insgesamt 6,5 Millionen Euro. Das Vorhaben ist Anfang 2021 gestartet und auf drei Jahre angelegt.
Wie fahrerlose Shuttle-Fahrzeuge sicher von A nach B kommen:
Projekt 3F stellt Ergebnisse für automatisiertes Fahren im Niedergeschwindigkeitsbereich vor.
Auf Kurs: Fahrzeug kann Fahrt trotz Abweichungen auf der vorgegebenen Strecke und technischen Ausfällen im System fortsetzen
An Bord: Transport von Personen und Gütern auf Teststrecken in Renningen und Aachen erprobt
Im Team: Sechs Partner an dem öffentlich geförderten Projekt beteiligt
(Fotograf: Martin Stollberg)
Renningen – Besucher von der Straßenbahnhaltestelle zum Messegelände befördern, den öffentlichen Nahverkehr ergänzen, Container mit Paketen im Logistikzentrum transportieren: All das sind mögliche Einsatzgebiete für fahrerlose Shuttle-Fahrzeuge. Voraussetzung ist, dass sie sicher von A nach B kommen – im doppelten Wortsinn: gefahrlos und zuverlässig. Hier hat das Projekt 3F „Fahrerlose und fehlertolerante Fahrzeuge im Niedriggeschwindig-keitsbereich“ angesetzt und den Fokus auf Ausfallsicherheit gelegt. „Ziel war, Lösungen zu erarbeiten, damit automatisierte Shuttle-Fahrzeuge sicher unterwegs sind, auch wenn es zu einer technischen Störung kommt oder plötzlich Hindernisse auftauchen“, sagt Steffen Knoop, Projektleiter in der Forschung und Vorausentwicklung der Robert Bosch GmbH.
Konkret ging es darum, dass im Falle eines Fehlers das System nicht komplett ausfällt, sondern das Fahrzeug weiterfahren kann. An dem vom Bundeswirtschaftsministerium mit 4,3 Millionen Euro geförderten Projekt waren neben Bosch als Konsortialführer drei weitere Unternehmen, eine Hochschule und eine Forschungseinrichtung beteiligt: die StreetScooter GmbH, RA Consulting GmbH, das FZI Forschungszentrum Informatik, die Finepower GmbH und die RWTH Aachen.
Doppelt hält besser: Redundante Energieversorgung und Sensorik
„Fahrerlose Shuttle-Busse müssen andere Voraussetzungen erfüllen als beispielsweise hochautomatisierte Pkw“, erläutert Bosch-Projektkoordinator Thomas Schamm. Shuttle-Fahrzeuge können nur dann ohne (Sicherheits-)
Fahrer zum Einsatz kommen, wenn sie selbstständig ihr System überwachen – also Diagnoseaufgaben durchführen – und erkannte technische Störungen bewältigen und weiterfahren können. Zugleich müssen sie bei kritischen Fehlern das System in einen sicheren Zustand überführen und beispielsweise stoppen. Wie die Anforderungen im Einzelnen aussehen, wie die Systeme davon ausgehend ausgelegt werden müssen und wie das Zusammenspiel der Einzelkomponenten optimiert werden kann, daran hat das Projekt 3F gearbeitet.
(Fotograf: Martin Stollberg)
Ein Lösungsansatz: Redundanz, also das Vorhandensein sicherheitsrelevanter Funktionen in doppelter Ausführung. So haben die Forscher beispielsweise redundante Systeme zur Stromversorgung entwickelt, damit Elektroantrieb und Bordnetz zuverlässig abgesichert sind und die Sensorik auf die Bauform der Fahrzeuge abgestimmt und verfeinert. Um Hindernisse zuverlässig erkennen zu können, wurden mehrere Lidar- und Radarsensoren an unterschiedlichen Fahrzeugstellen positioniert. Das ermöglicht, das Umfeld aus verschiedenen Positionen zu beobachten, eine 360-Grad-Rundumsicht zu erreichen, tote Winkel zu vermeiden und so gewissermaßen ein 3D Schutzfeld zu erzeugen. Nicht nur Hindernisse auf der Straße wie Schranken werden so erkannt, sondern auch herabhängende Äste.
Erkennen, einordnen, Fahrverhalten anpassen
Ein weiterer Lösungsansatz: Fehlertoleranz, also die zumindest stückweise Kompensation eines Teilsystemausfalls durch andere Funktionen. Das funktioniert ähnlich wie bei Menschen: Wenn in einem geschlossenen Raum plötzlich das Licht ausgeht, tasten sie sich langsam weiter statt in Starre zu verfallen. Vergleichbar verhält sich das Shuttle-Fahrzeug: Ist es in einem Teilbereich blind, weil Blätter vor dem Sensor kleben oder ein großes Objekt wie ein Müllcontainer die Sicht in eine Richtung komplett versperrt, verlangsamt es seine Fahrt oder spart die nicht mehr erkennbaren Bereiche auf der Route aus.
Zudem hat das Projekt daran gearbeitet, dass Shuttle-Busse im Rahmen ihrer festgelegten Strecke auch auf Abweichungen im Umfeld reagieren. Die Fahrzeuge sollen langsamer werden, wenn sich bewegliche Objekte nähern oder unbekannte Gegenstände im Zweifel großzügig umfahren. Bei wiederkehrenden Wegmarken wie Laternen wiederum setzen sie die Fahrt in unverminderter Geschwindigkeit fort. Ist Gefahr im Verzug, verordnet sich das Shuttle sicherheitshalber einen Stopp. Das Ziel: Das Fahrzeug passt sein Fahrverhalten in Echtzeit den Gegebenheiten an, setzt aber seinen Weg nach Möglichkeit auch bei Störungen im System oder trotz Hindernissen auf der Strecke selbsttätig fort.
Telemetrie hoch drei, Anwendung hoch zwei
Daten über die aktuelle Fahrt und den technischen Zustand können aus dem Fahrzeug heraus und an das Fahrzeug zurück übertragen werden. Dabei gehen Informationen hinsichtlich drei Funktionen hin und her: Diagnose, Überwachung, Steuerung. Telemetrie, also Übertragung von Messwerten, hoch drei sozusagen, und deshalb: Teletrimetrie. Auf der Basis kann künftig per Leitstelle ein ganzer Fuhrpark an automatisierten Shuttle-Bussen aus der Ferne kontrolliert, bei Bedarf repariert oder gesteuert werden, um beispielsweise Türen zu öffnen. So lassen sich die Fahrzeuge unterstützen, falls sie in Sachen Fehlererkennung und Fehlerkompensation doch einmal an ihre Grenzen kommen oder auch ganz planmäßig eine Wartung benötigen.
(Fotograf: Martin Stollberg)
Die im Projekt erarbeiteten Lösungen lassen sich nicht nur in fahrerlosen Shuttle-Bussen einsetzen, sondern ermöglichen auch die robuste Unterstützung von Logistikprozessen. Es wurde ein Assistenzsystem im Zusammenspiel zwischen Fahrer und Fahrzeug entwickelt, welches eine hochgenaue Positionierung von Wechselbrückenhubwagen – Spezialfahrzeuge zum Versetzen von Containern in Logistikzentren – ermöglicht. Ziel war, die Fahrzeuge zentimetergenau unter Containerbrücken zu bewegen, um so die Transportbehälter schnell aufzunehmen. Dazu sind eine genaue Lokalisierung und eine Art automatisiertes Einparken unter der Brücke notwendig. In der Praxis ermöglicht dieses automatisierte Manöver ein fehlerfreies Aufnehmen und Positionieren der Container.
Erprobt wurden die Entwicklungen auf mehreren Testrecken: Mit zwei Shuttle-Bussen auf dem Bosch-Forschungscampus in Renningen wurde die Beförderung von Personen auf einem Gelände getestet, auf dem auch Fußgänger unterwegs sind. Auf einem Innovationspark bei Aachen sowie im Umfeld eines Paketzentrums der Deutschen Post/DHL wurde mit einem Logistikfahrzeug das Zusammenspiel von Fahrer und automatisiertem Fahrzeug untersucht.
Weitere Informationen im Internet unter: www.3f-projekt.de